200 Passagiere entkamen Abschuss nur knapp
Für T-Online von
Wie erst jetzt bekannt wurde, sind im April über 200 Fluggäste der vietnamesischen Fluggesellschaft Vietnam Airlines auf dem Flug von Hanoi nach Frankfurt am Main nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Nach einem Bericht des vietnamesischen Online-Magazins "Viet Nam Net" hatte eine Boing 777 in der Nacht vom 17. zum 18. April über den Lufträumen der Ukraine, Polens und Tschechiens 65 Minuten lang keinen Funkkontakt zum Boden gehabt. Weil die Maschine vom Luftkorridor abgewichen sei, sollte sie abgeschossen werden, behauptet "Viet Nam Net".
Jan Pejsek vom Prager Verteidigungsministerium bestätigt den Vorfall gegenüber Spiegel-Online im Wesentlichen. Um 5.45 Uhr des 18. April hätte die tschechische Luftwaffe ein unbekanntes Flugobjekt gesichtet, das nicht mit dem Flugkontrollzentrum in Prag kommuniziert hatte. Sofort hätten zwei Kampfjets die Verfolgung aufgenommen, da man von einer militärischen Bedrohung ausgegangen sei. Doch das Objekt hatte sich als ziviles vietnamesisches Linienflugzeug erwiesen. Wenige Minuten nach Beginn der Eskorte bestand wieder Flugkontakt, erklärt Jan Pejse
Autopilot soll Flugzeug gesteuert haben
Laut vietnamesischen Medienberichten sahen die erstaunten tschechischen Kampfjetpiloten, dass die zwei Piloten der Passagiermaschine ein Nickerchen hielten. "Sie hatten geschlafen und ließen eine Stunde und fünf Minuten lang das Flugzeug durch den Autopiloten steuern", schreibt "Viet Nam Net". Das wird durch das tschechische Verteidigungsministerium weder bestätigt noch dementiert.
Crew vom Dienst suspendiert
Die staatliche Fluggesellschaft Vietnam Airlines bestätigt gegenüber Spiegel-Online zwar den Verlust des Funkkontaktes, dementiert aber, dass die Piloten geschlafen hätten. Sprecher Arnaud Pohier: "Das ist ausgeschlossen. Wir haben eine Dienstvorschrift, nach der die Stewardessen alle 15 Minuten die Pilotenkabine aufsuchen, um die Flugkapitäne zu versorgen." Diese Argumentation vertritt auch die Hanoier Flugsicherheitsbehörde gegenüber Tschechien. Dennoch wurde die gesamte Crew vom Dienst suspendiert. Die betroffenen Flugkapitäne und Stewardessen können aber die Fluglizenz zurückerhalten, wenn sie sich erfolgreich nachschulen lassen.
Maschine landete in Frankfurt
Laut der vietnamesischen Flugsicherheit ist dies der erste Fall dieser Art bei Vietnam Airlines. Klaus Busch, Sprecher des Flughafens in Frankfurt, bestätigt die unversehrte Landung der Maschine am 18. April um 7.30 Uhr mit einer Stunde Verspätung.
Skandalgeschüttelte Staats-Airline
Der Vorfall wurde bekannt, nachdem die staatliche Airline seit Monatsbeginn in Vietnam von Skandalen heimgesucht wird. Medien hatten aufgedeckt, dass das Unternehmen Kindern von hochrangigen Mitarbeitern, von Parteifunktionären und Ministeriumsmitarbeitern widerrechtlich einen Schulaufenthalt im Ausland gesponsert hatte. Diese Tatsache räumte die Airline inzwischen ein.
Selbstbedienungs-Mentalität weit verbreitet
Solche Art von Selbstbedienung durch Funktionäre ist in Vietnam weit verbreitet. Erst im April ist ein Korruptionsskandal im Verkehrsministerium in Millionenhöhe aufgeflogen. Der stellvertretende Verkehrsminister sitzt seitdem in Haft. Die Funktionäre, die ihren Kindern auf Staatskosten zur Schule ins Ausland geschickt hatten, sollen das Geld zurückzahlen, hieß es in Hanoi. Das Parlament untersucht, ob die Schulaufenthalte mit Korruption verbunden waren.
Bisher anerkanntes Unternehmen
Der Staatscarrier Vietnam Airlines hat Ende der neunziger Jahre erfolgreich das Aschenputtel-Image abgelegt und ist durch moderne Flugtechnik sowie die Einrichtung zahlreicher neuer Fluglinien zu einem international anerkannten Unternehmen aufgestiegen. Flugsicherheit, Zuverlässigkeit, vor allem aber die Bedienung an Bord durch Vietnamesinnen in den traditionellen Gewändern und die fernöstliche Küche erhalten gute Noten durch internationale Warentester.
Prozess in Italien verloren
Doch in diesem Monat kommt das Unternehmen nicht aus den Schlagzeilen: In Italien hat es gerade in einem Zivilprozess
gegen einen italienischen Anwalt mehr als fünf Millionen Euro verloren. Der Jurist hatte einen Vertrag mit einer Tochterfirma von Vietnam Airlines, die inzwischen Konkurs gegangen ist, und beklagte nun die Mutterfirma auf Schadensersatz. Das Luftfahrtunternehmen hatte die Klage nicht ernst genommen und war gar nicht erst zum Prozess erschienen. Jetzt will es Berufung einlegen.
Devisenschmuggel aus Australien
Und seit dem 3. Juni sitzt der vietnamesische Co-Pilot Tran Van Dang in einem Untersuchungsgefängnis im australischen Sydney. Er hatte versucht, beim Rückflug aus Sydney nach Hanoi eine halbe Million US-Dollar in bar unverzollt auszuführen. Besonders peinlich: Die australische Justiz verweigerte den eigens aus Vietnam eingereisten offiziellen Vertretern der Airline einen Haftbesuch bei ihrem Mitarbeiter. "Viet Nam Net" will von australischen Ermittlern erfahren haben, dass "mehrere Piloten und Stewardessen öfter helfen, Bargeld ins Land oder außer Landes zu bringen. Die Ermittler haben Schwierigkeiten, solche Fälle aufzuklären."
In Australien lebt mit mehr als 150.000 Migranten eine der größten vietnamesischen Auslandsgemeinden. Die Auslandsvietnamesen unterstützen ihre Verwandten in Vietnam finanziell. Banküberweisungen sind jedoch mit hohen Gebühren verbunden, und in Vietnam haben nur wenige ein Bankkonto, so dass man andere Wege finden muss, das Geld zu transferieren.
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