Aktuelle Zeit: Mittwoch 15. Mai 2024, 13:07

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Rückflug mit Propeller
BeitragVerfasst: Montag 2. November 2009, 23:50 
Offline
Benutzeravatar

Registriert: Freitag 10. Juni 2005, 12:57
Beiträge: 3848
Wohnort: Leipzig
Er kommt wieder. Er ist die Zukunft. Er spart Sprit. Die Pläne der Triebwerk-Hersteller drehen sich um nichts anderes mehr



Und auf einmal fliegen wir auf die Vergangenheit. Die Ölreserven, die Erderwärmung, der politische Druck - am Himmel zeichnet sich ein technischer Looping rückwärts ab. Diese Kehrtwende bedeutet: Die Flugzeuge der Zukunft werden prinzipiell von gestern sein. Nicht ganz so schnell, nicht ganz so stark, aber mit Verbrauchsvorteilen von bis zu 30 Prozent. Es wird wieder langsam laufende Propeller mit großen, gebogenen Schaufeln geben, mit denen wir uns in die Luft schrauben werden.



Nach den Plänen der deutschen MTU Aero Engines, einem der großen Player im Triebwerkgeschäft mit Beteiligungen an beinahe allem und jedem in der Branche geht in vier Jahren ein neuartiger Flugzeugantrieb in die Serienproduktion. Die Prototypen fliegen schon. Es wird 2025 eine Weiterentwicklung folgen, ein Turboprop-Antrieb mit gegenläufigen Propellern, in weiteren fünf Jahren sogar mit Wärmetauschern bestückt. Von außen werden diese Motoren kaum von herkömmlichen Strahltriebwerken zu unterscheiden sein.



Schon einmal waren wir ganz nah daran, zum Propeller zurückzukehren, während der Ölkrise von 1979/1980, die erste Ölkrise von 1973 war noch schreckhaft gut im Gedächtnis. Weder das Klima noch die Erdölressourcen sind damals der Grund für den entschlossenen Eifer gewesen, sparsame Flugzeugtriebwerke zu konstruieren. Es war der hohe Ölpreis, und nur dieser. Das mag dummdreist klingen, nach den heutigen Begriffen von Klimaschutz und Kerosinverbrauch. Aber damals landeten mit beruhigtem Markt die durchaus flugfähigen Propellerantriebe im Schrott. Es waren deutlich sparsamere, allerdings nicht ganz so leistungsfähige Motoren, und sie funktionierten auch noch problemlos in der Standardflughöhe von zehn Kilometern. Genau diese Technik vom Schrottplatz wird die Zukunft der Passagiermaschinen bestimmen.



Die Abkehr vom Propeller hatte allerdings noch ein anderes, verstecktes Motiv, einen Grundsatz der Luftfahrt: lieber einen bewährt ausfallsicheren Motor als eine zwar effiziente, aber weniger erprobte Konstruktion. Bislang lief deshalb alles in die Richtung, dass der Passagier, der Mensch, wichtiger ist als der Eisbär. Lieber ein paar Tonnen Kerosin mehr verfeuern, das aber zuverlässig. Das ist jetzt nicht mehr zu halten. Das Ende aller Standardferienflieger, wie der Airbus 320 oder die gute alte Boeing 737, ist in Sicht.



Die gewöhnliche Passagiermaschine von heute wird von einem Strahltriebwerk über den Himmel geschoben. Diese Motoren haben für den Schub ein großes Schaufelrad mit feinen Lamellen vorne. Angetrieben wird es von einer Turbine dahinter, die das Kerosin verbrennt. Der Vorteil so eines Triebwerks ist die hohe Reisegeschwindigkeit in großen Flughöhen. Die Nachteile sind hoher Treibstoffverbrauch und mäßige Ausnutzung der Kerosin-Energie.



Unterm nachwirkenden Schock der Ölkrisen kam die Nasa auf eine bestechende Idee: statt des Schaufelrads einen langsamer drehenden Propeller zu montieren. Das machte die Sache zwar deutlich effizienter, aber auch katastrophal laut. Zudem sind Geschwindigkeiten deutlich über 780 Stundenkilometern kaum machbar. Dennoch fand die Nasa damit die bis heute anerkannt beste Spritsparmethode. Korrekt hieße dieser Motor Propellerturbinenluftstrahltriebwerk, oder kürzer, im Alltag, Turboprop. Das hat sich durchgesetzt, obwohl die technisch völlig anders konstruierten, ganz alten Propellermaschinen mit turbogeladenen Kolbenmotoren genau so heißen.



Nach dem technischen Vorspiel der Nasa stellten die Ingenieure von General Electric 1983 unerwartet früh einen Motor hin, der schlichtweg genial gelöst war. Wer sich nur irgendwie für Technik interessiert, schaut sich diesen Motor mit Bewunderung an. Die Sache ließ sich gut an: Boeing hatte diesen GE36-Motor schon als Antrieb für ein neues Flugzeug eingeplant, Prototypen gingen ab 1986 zu Probeflügen in die Luft. 1987 titelte die "Washington Post" sogar: "Der Flugzeugantrieb der Zukunft hat Propeller." Es war tatsächlich die Lösung für das Problem mit dem teuren Öl. Aber leider war das Problem zwischenzeitlich verschwunden. Der Ölpreis war niedrig, der neue Turboprop-Motor ziemlich wartungsintensiv, und deshalb machte der Airbus 320 mit Strahltriebwerken das Rennen.



Die Welt verhandelt heute stetig und zäh über die Nachfolge des Kyoto-Protokolls, die EU hat allen Ehrgeiz in die Minderung des CO2-Ausstoßes gesetzt - und dabei sind ihr Schiffe und Flugzeuge besonders übel aufgefallen. Auch diese werden sich künftig an ihrem CO2-Ausstoß bemessen und nach finanziellen Abgaben berechnen lassen müssen.



MTU Aero Engines wappnet sich daher mit einem System, das wie beim General-Electric-Turboprop zwei gegenläufige, langsam rotierende Propeller verwendet. Beim MTU-Motor sitzen die Propeller allerdings vorn. Sie laufen auch nicht offen. Sie sind wie beim Strahltriebwerk ummantelt. Dieses Gehäuse sorgt dafür, dass die Strömung gleichmäßiger fließt, was den Antrieb wesentlich berechenbarer und vor allem leiser macht. Er ist allerdings nicht ganz so leistungsfähig wie die im Freien laufenden Propeller, wird aber rund 20 Prozent Kerosin einsparen. Die Konstruktion mit zwei gegenläufigen Rotoren arbeitet deshalb so effizient, weil die Luftkreisel hinter dem Flugzeug geringer sind. Doch schneidet der zweite Propeller immer direkt in den Luftstrom des ersten hinein - und das ist kaum zu überhören. Ein sarkastischer General-Electric-Ingenieur brachte es vor 25 Jahren auf den Punkt. Die Maschine sei "ein sehr effizienter Lärmgenerator". Das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) testet daher zusätzlich zur lärmreduzierenden Hülle ein direkt am Triebwerk arbeitendes Antischallsystem. Dabei erzeugen Lautsprecher Schallwellen, die dem Lärm mit entgegengesetzt schwingenden Schallwellen begegnen und ihn auslöschen können. Im Saab 2000, einem kleineren Verkehrsflugzeug, ist schon ein ähnliches System gegen den Lärm in der Kabine installiert. Es ist dasselbe Prinzip, mit dem auch viele Kopfhörer Außengeräusche dämpfen. Das DLR kam in seinen Tests auf Lärmminderungen von 20 bis 30 dB, was etwa ein Viertel bis ein Achtel der empfundenen Lautstärke entspricht.



Dennoch hat sich der Triebwerkhersteller Rolls-Royce, der ebenfalls an einem Propellermotor arbeitet, ganz nah an das General-Electric-Vorbild gehalten: Rolls-Royce plant zwei gegenläufige, offene Rotoren - wie bei der Antonov An-70, einer sowjetischen Konstruktion. Der Höllenlärm, glauben sie, wird noch in den Griff zu bekommen sein.



Um 2030 soll der MTU-Doppelpropeller-Motor noch einen Wärmetauscher erhalten, der die Abgaswärme an die Ansaugluft weitergibt, um nochmals effizienter und sauberer zu verbrennen - MTU rechnet mit einem Einsparpotenzial von rund 30 Prozent.



Ein schönes Beispiel, wie dann ein neues Flugzeug mit dem neuen MTU-Antrieb aussehen könnte (großes Foto), stammt aus dem deutschen Entwicklungsinstitut Bauhaus Luftfahrt. Im Heck sind vier Doppelpropeller montiert, die von zwei der neuen, im Rumpf versteckten Turbinen über Wellen und Gelenke angetrieben werden. Die ingenieurstechnischen Probleme dabei sind alles andere als trivial. Doch technisch ist der Flugzeugentwurf machbar. Und er beflügelt die Fantasie. Andererseits spricht alles dafür, dass Flugzeuge auch in Zukunft so aussehen werden wie eh und je, allerdings mit ausgetauschten Motoren.



Fürs Erste jedoch widmen sich die Ingenieure von MTU noch dem guten alten Strahltriebwerk, genauer: dem V2500, einem weitverbreiteten Standardantrieb, wie ihn auch der Airbus 320 hat. Diese Maschine wird ein Getriebe bekommen. Luftfahrtingenieure verabscheuen Getriebe, weil dort ein ganzer Sack voller beweglicher Teile drin ist, die man warten muss. Außerdem sind Getriebe schwer. Das Problem bei den derzeitigen Triebwerken ist jedoch, dass das Lamellenrad für den Schub und die Turboschaufelscheiben für die Verbrennungsturbine gemeinsam auf derselben Welle sitzen. Gasturbinen arbeiten bei hohen Drehzahlen besonders gut. Aber das Lamellenrad wäre effizienter, wenn es langsamer drehen könnte. Daher soll es in vier Jahren einen V2500-Nachfolger mit Getriebe geben, mit etwa 15 Prozent weniger Verbrauch, 40 Prozent weniger Stickoxidausstoß und 50 Prozent weniger Lärm.



Aber vielleicht interessiert Sie das alles gar nicht, weil Sie der Kalif von Kalifornien sind, Ihre Zeit daher wertvoller ist als Kerosin oder Eisbären und Sie sich am meisten geärgert haben, als Air France und British Airways gemeinsam beschlossen, den Betrieb der Concorde einzustellen. Machen Sie sich nichts draus, verzagen Sie nicht - die englische Firma Reaction Engines will mit ihrem A2 mit Mach 5 die Interkontinentalstrecken befliegen. Das wird nur mit enorm verschwenderischen Triebwerken machbar sein. Das kostet Sprit, gewinnt aber viel Zeit. Der Entwurf des Flugzeugs sieht zwar aus, als hätte es ein grobmotorischer Grundschüler mit Größenwahn gemalt, aber das wird Sie beim Reisen nicht stören. Der A2 wird keine Fenster haben.



http://www.welt.de/die-welt/wissen/arti ... eller.html

_________________
Bild
JetPhotos.net
Ciao!


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste


Sie dürfen keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Sie dürfen Ihre Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Sie dürfen keine Dateianhänge in diesem Forum erstellen.

Suche nach:
Gehe zu:  
Powered by phpBB® Forum Software © phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de