Massengrab Flughafen hat Aufsehen erregt
Bund der Antifaschisten übt Kritik an Behörden
ECHTERDINGEN - Das auf dem amerikanischen Teil des Stuttgarter Flughafens entdeckte Massengrab mit den sterblichen Überresten von 34 mutmaßlichen NS-Zwangsarbeitern (wir berichteten) erregte Aufsehen. Und auch das Telefon im Stadtarchiv stand nicht still. Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine und Bild Zeitung wollten von Bernd Klagholz Neuigkeiten hören. Doch der Stadtarchivar weiß auch nicht mehr, als in den elektronischen und Printmedien bislang zu erfahren war. Die Zahl der Toten müsse jedenfalls von 111 auf 119 korrigiert werden. Mithilfe der nun aufgetauchten Namenslisten, will das Stadtarchiv nun versuchen, mögliche Überlebende als authentische Zeitzeugen zu ermitteln. Bislang war das nicht gelungen.
Kritisch zu dem grausigen Fund am Flughafen äußert sich Reinhard Hildebrandt, Landessprecher Landesvereinigung des VVN, dem Bund der Antifaschisten, in einem Brief an unsere Redaktion: "Beim jetzt gefundenen Massengrab von KZ-Häftlingen auf dem Echterdinger Flughafen handelt es sich ganz offenkundig um das Grab, das den Behörden bereits 1950 bekannt gemacht worden ist. Seit damals wurde nichts unternommen, um den Opfern eine würdige Ruhestätte zu geben.
Nach den im Archiv der VVN-BdA vorhandenen Unterlagen hatte ein Flugzeugschlosser aus Bayern im April 1950 seinem damaligen Landtagsabgeordneten von seinen Beobachtungen berichtet. Er habe öfters gesehen, wie Tote vor der Halle eingegraben wurden. Zur Bezeichnung dieser Stelle hatte der Zeuge seinem Brief eine Skizze beigelegt.
Diese Information wurde vom bayrischen Landtagsabgeordneten Stöhr an den damaligen Landtagspräsidenten Auerbach weitergeleitet, der versicherte, er werde der Sache selbstverständlich nachgehen lassen und den Vorgang tatsächlich an die württembergisch-badischen Behörden weiterleitete.
Am 26. Mai 1950 übersandte die Landesbezirksstelle für die Wiedergutmachung Stuttgart eine entsprechende Informationen an die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Bei der VVN handelte es sich damals wie heute um einen eingetragenen Verein ohne jede staatliche Befugnisse und Kompetenzen. Sie verfügte über keinerlei Möglichkeiten, Nachforschungen oder gar Grabungen auf dem Gelände des Flughafens zu veranlassen.
Heute stellt sich heraus, dass diese Mitteilung an die VVN von den Behörden offensichtlich als abschließende Behandlung des Hinweises auf ein Massengrab von KZ-Opfern betrachtet worden war. Trotz der genauen Hinweise erfolgten seitens der Behörden keinerlei Nachforschungen oder Aktivitäten, den Opfern eine würdige Ruhestätte zu ermöglichen. Mit einer Information an den kleinen privatrechtlichen Verein entledigten sich die Landesbehörden damals ihre Verantwortung für die Opfer.
Eine entsprechende Erfahrung machte offensichtlich auch die Esslinger Historikerin Gudrun Silberzahn-Jandt, die sich, nach einem entsprechenden Bericht der Esslinger Zeitung vom 23. September, in den 90er Jahren vergeblich bemüht hatte, die Behörden auf das damals angezeigte Massengrab aufmerksam zu machen.
Ein ähnlich oberflächlicher Umgang mit den Opfern des Naziregimes offenbarte sich Ende der 70er Jahre, als 1979 eine Gruppe Jugendlicher aus Leinfelden-Echterdingen in Zusammenarbeit mit der VVN-Bund der Antifaschisten die Errichtung eines Gedenksteines zur Erinnerung an die Opfer des KZs am Flughafen forderte.
Diese Forderung löste ein jahrelanges Gerangel zwischen der landesnahen Flughafenverwaltung und den betroffenen Gemeinden Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt und auch Stuttgart aus". naw
http://www.stuttgarter-wochenblatt.de/s ... hp/1005120