AIRPORTBILDER

Normaler Flugbetrieb



Entgegen bisherigen Annahmen kamen Fördermittel für den Flughafenausbau, wegen deren Vergabe die Staatsanwaltschaft ermittelt, nicht von der EU. Das seien ausschließlich Landesgelder gewesen, hieß es im Verkehrsministerium.



ERFURT. Die Koffer werden durchleuchtet und anschließend aufgegeben. Mit ihrer Bordkarte in der Hand durchschreiten die Fluggäste die Metalldetektorschleusen und nehmen in den Warteräumen Platz, bis das Einsteigen beginnt. Normaler Flugbetrieb am Erfurter Airport. Von den Vorgängen rund um Thüringens größten Verkehrsflughafen erfahren viele Passagiere erst an Bord, wenn die Flugbegleiterin ihnen die aktuelle Tageszeitung reicht.



Ganz anders hinter den Kulissen, da herrschte vor allem am vergangenen Freitag helle Aufregung. Es drohte laut Insidern nach der Festnahme von Gerd Ballentin kurzzeitig eine Einstellung des Flugbetriebes. Ohne handlungsfähige Führungsspitze, der zweite Mann nach dem früheren Geschäftsführer fehlt krankheitsbedingt bereits längere Zeit, schien ein Vakuum zu drohen. Mit der Benennung von Wolfgang Hesse zum neuen Geschäftsführer und mit dessen Bereitschaft, seinen Job sofort anzutreten, waren diese Befürchtungen jedoch schnell wieder hinfällig.



Der neue Chef hat nun aber offenkundig alle Hände voll zu tun, Bedenken bei den Airlines zu zerstreuen, die Erfurt derzeit ansteuern. Einige von ihnen fragten in den zurückliegenden Tagen nach Informationen dieser Zeitung bereits an, wie es denn nun am Airport weitergeht. Schließlich werden längst die Flugpläne für die nächsten Monate aufgestellt, vermelden umliegende Flughäfen bereits neue Ziele und Angebote.



Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen ermittelt unterdessen in puncto Betrugsverdacht bei der Passagierzahl im Jahr 2000 unverändert weiter gegen mehrere leitende Mitarbeiter des Airports. Auf eine Zahl wollte man sich nicht festlegen. Der zurückgetretene Geschäftsführer räumt im Unterschied zu anderen Beschäftigten offenbar keine Beteiligung an den Manipulationen ein. Sein Rechtsanwalt konnte sich zum Stand der Ermittlungen gestern nicht äußern. Er sei nicht von seiner Schweigepflicht entbunden, erklärte Rechtsanwalt Wolfgang Peter zur Begründung.



Die Zahl von 500 000 Fluggästen, die der Airport im Jahr 2000 erreichen musste, um bestimmte Fördermittel zu erhalten, basierte auf Prognosen zur Entwicklung des Flughafens. In den neunziger Jahren erstellt, floss diese Vorhersage in den Planfeststellungsbeschluss für den weiteren Ausbau ein. Nach Meinung von Experten wäre es jedoch durchaus möglich gewesen, dieses Verfahren noch einmal zu eröffnen, mit dem Ziel, die Schwelle für die Ausgabe der Fördergelder zu senken. Stattdessen - so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft - wurden die Passagierzahlen um rund 30 000 nach oben manipuliert. Und weil es im Jahr 2000 funktionierte, setzte man diese Praxis über Jahre fort.



An den umliegenden Flughäfen in Mitteldeutschland verfolgt man das Geschehen in Erfurt mit ungläubigem Kopfschütteln. Aus den bisherigen Konkurrenten im Kampf um die Airline-Ansiedlungen und die Passagiere sollen nach dem Willen der Landesregierungen Partner werden. Das ist ein Ziel des gemeinsamen Luftverkehrskonzeptes Mitteldeutschland, welches morgen in Leipzig unterschrieben werden soll. Priorität besitzt demnach für alle drei Länder der Flughafen Leipzig/Halle als Startplatz für Interkontinentalflüge ab Mitteldeutschland. Auf einer weiteren Stufe folgen demnach die Flughäfen in Dresden und Erfurt sowie Cochstedt in Sachsen-Anhalt. Gegen den Widerstand aus den Nachbarländern fand auf Wunsch Thüringens der Flugplatz in Altenburg-Nobitz Aufnahme in das Papier.



Thüringer Allgemeine