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 Betreff des Beitrags: OTZ-Gespräch mit Wolfgang Hesse
BeitragVerfasst: Montag 15. Januar 2007, 23:32 
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Registriert: Freitag 29. April 2005, 19:14
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Luftfracht als gutes Beispiel



OTZ-Gespräch mit Wolfgang Hesse, Chef des Erfurter Flughafens

Seit genau einem Jahr führen Sie den Flughafen. Warum übernahmen Sie diese Aufgabe?



Ich habe meine Karriere auf einem Flughafen begonnen, war zwischenzeitlich bei einer Fluggesellschaft. Als Unternehmensberater hatte ich zwar volle Auftragsbücher, aber das Angebot hat mich sehr gereizt.



Was fanden Sie vor?



Die Passagierzahlen waren manipuliert. Schon zu meiner Zeit als Leipziger Flughafenchef wunderte mich, dass Erfurt nach dem 11. September entgegen dem Trend aller anderen mitteldeutschen Flughäfen zulegt. Sogar der Aufsichtsrat ist systematisch belogen worden. Das fällt noch heute auf das Unternehmen zurück, wenn jede Entscheidung politisch hinterfragt wird. Aber zumindest die Bücher stimmten.



Und personell?



Die Mitarbeiter waren sehr aufgeschlossen. Viele wurden gezwungen, sich an den Manipulationen zu beteiligen. Es war zu spüren, dass der Flughafen zentralistisch geführt wurde. Ich erwarte jedoch, dass Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und selbst Lösungen vorschlagen. Wir sind auf einem guten Weg.



Auch was die Passagierzahlen im Jahr 2006 angeht?



Bei den realen Zahlen für 2005 darf ich der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen, insofern ist ein Vergleich schwierig. Fest steht, dass wir im Bezug auf die wirklichen Zahlen ein Minus an Fluggästen zwischen zehn und 15 Prozent zu verkraften hatten.



Woran liegt das?



Vor allem am Türkei-Verkehr, der nach den Vogelgrippe-Meldungen und den Anschlägen in Ägypten eingebrochen ist. Der Linienverkehr ist auf niedrigem Niveau stabil.



Wie sind diese ausgelastet?



Werktäglich gibt es Flüge nach Köln/Bonn, Düsseldorf und Hamburg. Dreimal täglich fliegt Cirrus von Erfurt nach München als Zubringer für das Drehkreuz der Lufthansa. Die Auslastung liegt zwischen 40 und 45 Prozent. Diese wollen wir um 10 bis 20 Prozentpunkte steigern.



Wie wollen Sie das schaffen?



Indem wir bekannter machen, dass es günstiger ist, seine Reise in Erfurt zu starten und von hier nach München zu fliegen, anstatt mit dem Auto zum Münchener Flughafen zu fahren. Gelingt das, überzeugen wir vielleicht auch Air Berlin, von Erfurt das Drehkreuz Nürnberg täglich statt nur dreimal pro Woche anzufliegen. Wir müssen unsere Rolle gefunden haben, bevor die ICE-Strecke nach München fertiggestellt ist.



Oder bevor Altenburg Sie in den Passagierzahlen überholt.



Das Altenburger Beispiel fällt aus. Die kaufen Verkehr, indem sie auf Einnahmen verzichten. Was soll das bringen?



Arbeitsplätze vielleicht?



Der Platz hat doch gerade ein Dutzend Mitarbeiter. Dem Landkreis bringt das kaum etwas. Die Einwohner zahlen mehr für Strom und Gas, damit Ryanair günstig landen kann. Mit nur zwei Flügen pro Tag rechnet sich das Low-Cost-Konzept nicht. Pro Passagier kommen zwischen drei und fünf Euro rein. Bei uns sind es 10 bis 15 Euro - diese Einnahmen decken zumindest vier Fünftel der operativen Kosten.



Altenburg will investieren.



Das Geld wäre für Ansiedlungen besser aufgehoben, zumindest würden schneller Jobs entstehen als durch einen Flug- hafen. Altenburg sollte sich als Geschäftsreise- und Werkflugplatz spezialisieren. Es gibt aber keine Notwendigkeit für einen vierten mitteldeutschen Flughafen. Leipzig/Halle, Dresden und Erfurt haben genug Kapazitäten, um weitere Flüge aufzunehmen.



Im Raum steht der Vorschlag, Erfurt in die Holding von Leipzig und Dresden aufzunehmen.



Wir als kleiner Flughafen müssen die gleichen Funktionen abdecken wie die erheblich größeren. Einige Dienstleistungen würde ich gerne nehmen. Selbst wenn wir kooperieren, bleiben wir aber Wettbewerber.



Welche Ziele haben Sie 2007?



Wir wollen den Rückgang von 2006 kompensieren und unsere Linien stabilisieren. Positiv entwickelt sich der Frachtbereich: Nächste Woche eröffnet TNT den Air-Road-Hub am Flughafen Erfurt. Dank der Großkunden wie Fujitsu-Siemens in Sömmerda oder Opel in Eisenach steigt die abgefertigte Luftfracht.



Kommen neue Billigflieger?



Wir sondieren gerade. Ryanair bietet inakzeptable Konditionen, aber es gibt schließlich noch andere Anbieter. Mit Air Berlin haben wir ja einen schon vor Ort.



Welche Fluggastzahlen streben Sie perspektivisch an?



Wir haben gerade eine neue Prognose in Auftrag gegeben.



Erfüllen Sie Ihren Vertrag, der noch zwei Jahre läuft?



Sicher. Ähnlich wie in Leipzig möchte ich zum Abschied ein bestelltes Feld übergeben, damit mein Nachfolger eine gute Ernte einfahren kann.



Gespräch: Tino Zippel Wolfgang Hesse (62): Studium Betriebs- und Verkehrswirtschaft in Dresden, 1968-1990 bei Interflug als Controller, Stations- und Verkaufsleiter Moskau und Leiter Zentrale Verkehrsleitung. 1990- 2004 Geschäftsführer Flughafen Leipzig-Halle, ab 2004 Unternehmensberater, vorwiegend für Flughafen Leipzig/DHL-Ansiedlung. Seit 13. Januar 2006 Geschäftsführer Flughafen Erfurt.



OTZ


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