Solide Zahlen und viele Unbekannte
Von Matthias Streitz
Die Billigairline easyJet hat ihren Profit trotz drückender Kerosinkosten steigern können - sie muss nun aber den Abgang ihres Chefs Ray Webster verkraften. Das Timing ist unglücklich: Auf dem deutschen Markt formiert die Konkurrenz gerade eine mächtige Abwehrfront gegen die orangefarbenen Flieger.
Hamburg - Mit seinen Bemühungen, Deutsch zu lernen, ist Ray Webster nie wirklich weit gekommen. Bei Terminen mit Journalisten in Berlin oder Dortmund sprach er meist nur die einleitenden Worte auf Deutsch - er las sie vom Blatt ab - und wechselte rasch zurück ins Englische.
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Immerhin hat Webster sich ernsthaft bemüht, den deutschen Markt und seine Kunden zu begreifen. Mit seiner Frau, einer französischen Unternehmensberaterin, verbrachte er viele Wochenenden in der deutschen Hauptstadt, die für den Billigflieger aus London-Luton inzwischen zur wichtigsten Basis im Ausland geworden ist. Seit der Marktpremiere 2004 flog easyJet 3,5 Millionen Gäste von oder nach Berlin-Schönefeld.
Kommende Woche wird Webster, 59, sein Amt als CEO von easyJet abgeben - er kehrt aus privaten Gründen in seine Heimat Neuseeland zurück. Kurz vor der freiwilligen Frühpensionierung konnte er heute noch einmal Zahlen vorlegen, die an der Börse für eine angenehme Überraschungen sorgten - am Nachmittag lag die easyJet-Aktie in London 9,6 Prozent im Plus bei 336,01 Pence. "Die Zahlen sind gut", kommentierte ein Analyst von Merrill Lynch.
Tektonische Verschiebungen
Unter Websters Führung hat die Airline in den vergangenen Monaten ein kleines Kunststück geschafft: Obwohl die Kosten für Flugtreibstoff im Geschäftsjahr bis Ende September um 47 Prozent anzogen, legte easyJet beim Profit zu. 68 Millionen Pfund blieben vor Steuern übrig - was einem Plus von neun Prozent und umgerechnet fast 100 Millionen Euro entspricht. Fast alle wichtigen Kennzahlen weisen in die richtige Richtung: Die Auslastung der Flugzeuge ist gestiegen, die Kosten pro Sitz sind gefallen, wenn man den teuren Sprit ausklammert, und die Einnahmen pro Passagier legten zu.
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Ob die inzwischen 37 Deutschland-Routen Gewinne abwerfen - darüber freilich schweigt sich easyJet traditionell aus. Bei einer Telefonkonferenz am Mittag sagte Webster nur, man habe die Passagierzahlen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht: Sie stieg von 960.000 im Finanzjahr 2004 auf 3,8 Millionen 2005. "Statistisch gesehen ist jetzt jeder Berliner einmal mit uns geflogen", scherzte Webster. Die Zahl der easyJet-Ziele in Deutschland liegt inzwischen bei fünf - außer Berlin und Dortmund gehören auch Hamburg, Bremen und Köln mit allerdings jeweils nur wenigen Routen dazu.
Im kommenden Jahr müssen sich die Briten hier auf neue Herausforderungen einstellen: Nach dem Tod des Germania-Chefs Hinrich Bischoff vor anderthalb Wochen verfügt künftig der Boss von Air Berlin, Joachim Hunold, über die 44 Germania-Maschinen. Hunold, der auch schon mit dem TUI-Ableger Hapag-Lloyd kooperiert, festigt damit seine Position als gesamteuropäisch mächtigster Rivale von Ryanair und easyJet. Mehr noch: Auch die finanzschwache dba würde sich gerne enger mit Air Berlin verbinden.
Autoclub-Chef muss Fliegen lernen
EasyJet-Sprecher Oliver Aust spricht denn auch von "tektonischen Verschiebungen" auf dem deutschen Markt. Noch sei aber "recht unklar", wie sich die Machtverhältnisse künftig entwickeln werden. Selbst wenn Air Berlin sein Netz von Partnerschaften aufrecht erhalte oder gar ausbaue, glaubt Aust, werde das eine "schwierige Hochzeit. Die Partner sind sehr unterschiedlich".
Websters Nachfolger, Andrew Harrison, 48, wird sich nach seinem Amtsantritt am 1. Dezember mit diesen Fragen befassen müssen. In den ersten Monaten stehen ihm wohl größere Eingewöhnungssschwierigkeiten bevor: Anders als Webster, der seine gesamte Karriere im Airline-Business verbrachte, kommt der Neuling von außerhalb - zuletzt führte er den britischen Automobilclub RAC, in den neunziger Jahren arbeitete er in der Textilbranche.
Deutsch spricht der künftige Chef nicht, und anders als Webster lernt er es bisher auch nicht. "Aber vielleicht", sagt easyJet-Sprecher Aust, "kann ich ihn dazu ja noch motivieren."
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0%2C15 ... %2C00.html
P.S. Was meint ihr, entsteht da eine neue große Billig-Airline um AB?