» "Ich bin kein Lamm" «
von Jenny Genger
Erst überrascht Hans-Rudolf Wöhrl mit der Übernahme der DBA, dann mit dem Einstieg bei der LTU. Nun verblüfft er die Mitarbeiter mit einem frappierenden Brief.
Seine Auftritte sind filmreif. Die schlagfertigen, flapsigen Bemerkungen des Textilhändlers, Hobbypiloten und Flugliniensammlers Wöhrl haben echten Unterhaltungswert. Jetzt greift der Franke selbst ins Archiv der Kinogeschichte. An den Psychothriller mit dem Kannibalen Hannibal Lecter erinnert ihn der Konkurrenzkampf der Lufthanseaten. Der deutsche Marktführer habe "das Kriegsbeil ausgegraben", ereifert sich Wöhrl in einem Schreiben, das vor ein paar Tagen an alle Mitarbeiter der Ferienfluggesellschaft LTU ging. "Und würde ich das nicht lautstark kundtun, dann wäre dies der X. Teil des ,Schweigens der Lämmer‘."
Aber Wöhrl macht den Mund auf. Nach seinem Einstieg bei der LTU hatte Wöhrl bereits den Angriff auf die weitaus größere Lufthansa verkündet. Das dürfte auch vielen LTU-Mitarbeitern etwas hoch gegriffen erschienen sein, schwante es Wöhrl wohl im Nachhinein, und er griff in die Tasten: Ob diese "Breitseite gegen den Branchenprimus" sein müsse, fragt er einleitend in seinem Schriftstück. Rhetorische Frage. "Ich bin kein Lamm, und bevor ich mich schlachten lasse, werde ich kämpfen. Meine Waffe ist dabei die öffentliche Meinung", begründet Wöhrl die Notwendigkeit.
Es geht nicht um Geld und Macht
Seine Motivation beschreibt er auf viereinhalb DIN-A4-Seiten. "Mit meinen 58 Jahren geht es mir nicht um Geld oder Macht", heißt es da. Dass mit Fluggesellschaften schneller Geld verbrannt als verdient wird, hat der Nürnberger schließlich gelernt.
Seine erste Fluggesellschaft, der Nürnberger Flugdienst (NFD), hielt sich damals nur mit Subventionen des Nürnberger Flughafens über Wasser. Was so unumwunden in einer Jubiläumsschrift des fränkischen Luftfahrtstandorts dokumentiert wird, würde heute die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen.
Kostendeckend habe die NFD eben nicht gearbeitet, heißt es da weiter. Aber auch der spätere Einstieg des Handelskonzerns Karstadt und der britischen Fluggesellschaft Air Europe änderten daran nichts. Die roten Zahlen blieben, Karstadt suchte das Weite, und Air Europe - daran erinnert Wöhrl auch jetzt noch mal in seinem Mitarbeiterbrief - ging in Konkurs.
Festhalten an alten Träumen
Aber Wöhrl hält an seinen Träumen von damals fest. Er habe eine Vision, erklärt er den LTU-Mitarbeitern. "Und sollte es mir gelingen, diese zu verwirklichen, dann haben wir in Deutschland wieder einmal etwas, was es auf der Welt noch nicht gibt." Die erste globale Billigfluggesellschaft schwebt ihm dabei vor. Die Pläne für eine solche "Air Cash & Carry" habe er schon vor 17 Jahren geschmiedet. Fast alles, was erfolgreiche Billigfluggesellschaften wie Ryanair und Easyjet erst Jahre später umsetzten, habe er schon damals konzipiert.
Die LTU-Mitarbeiter müssen hoffen, dass die Vision dieses Mal auch in einem gewinnbringenden Konzept umgesetzt wird. Starke Ansagen allein reichen da nicht. Die taugen allerhöchstens für ein Drehbuch. Die Geschichte indes hätte das Zeug zum Kassenschlager: Kommen darin doch so illustre Persönlichkeiten wie der ehemalige bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß und Quelle-Gründer Gustav Schickedanz vor, die Wöhrl früher herumflog. Allerdings sind darin auch so tragische Passagen wie der Absturz von drei Maschinen des NFD, bei denen insgesamt 27 Menschen starben.
http://www.ftd.de/unternehmen/handel_di ... 53914.html