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 Betreff des Beitrags: Luftbuchungen in der Provinz
BeitragVerfasst: Donnerstag 22. Juni 2006, 09:18 
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Luftbuchungen in der Provinz



Fast 40 Regionalflughäfen gibt es bundesweit - die keiner wirklich braucht. Länder und Kommunen zahlen dafür Subventionen in Millionenhöhe. Unter dem Vorwand, Wirtschaftsförderung zu betreiben, werden so die Eitelkeiten von Provinzfürsten befriedigt.



Der Baden-Airpark ist einer der wenigen Regionalflughäfen, der schwarze Zahlen schreibtSo viel Rummel erlebt er selten, der kleine Flughafen am Fuße des Nordschwarzwaldes: Hier, vom "Baden-Airpark" Karlsruhe/Baden-Baden aus, starten die Fußball-Nationalmannschaften von England und Costa Rica per Flugzeug in ihre Spielstädte. Außerdem fänden, so jubelt die Pressestelle des Flughafens, während der gesamten WM 21 Zusatzflüge statt, das Passagieraufkommen werde damit quasi verdoppelt.



Rund 700.000 Passagiere sind im vergangenen Jahr von Karlsruhe aus geflogen, damit ist der Baden-Airpark der zweitgrößte Regionalflughafen in Deutschland. Vor allem aber - und im Gegensatz zu vielen anderen Regionalflughäfen - schreibt er schwarze Zahlen. Zwar gibt es bundesweit fast 40 regionale Flughäfen, die zu großen Teilen von Städten, Gemeinden, kommunalen Betrieben und den Bundesländern mit großen Summen unterstützt und finanziert werden. Aber egal, ob die Flughäfen Mönchengladbach, Rostock-Laage, Dortmund oder Hof-Plauen heißen - überall fahren die Betreibergesellschaften damit Jahr für Jahr Verluste in Millionenhöhe ein.





So hat etwa die Flughafengesellschaft Mönchengladbach GmbH, die den gleichnamigen Flughafen betreibt, in den Jahren 2000 bis 2004 rund 25 Mio. Euro Verlust gemacht. Das Defizit wurde vollständig von der Gesellschafterin Flughafen Düsseldorf GmbH übernommen - an der die Stadt Düsseldorf zu 50 Prozent beteiligt ist.



Ein ähnliches Beispiel ist auch der Flughafen Rostock-Laage: Dafür, dass gerade mal 175.000 Passagiere im letzten Jahr von hier aus geflogen sind, hat das Land Mecklenburg-Vorpommern hier 47 Mio. Euro investiert. Jedes Jahr kommen weitere 1,6 Mio. Euro hinzu. Insgesamt, so hat der Bund der Steuerzahler berechnet, hat Mecklenburg-Vorpommern 121 Mio. Euro öffentlicher Gelder seit 1991 in den Ausbau mehrerer Flughäfen gesteckt. Kostendeckend betreiben lässt sich bis heute keiner.





Kritische Größe liegt bei 500.000 bis zwei Millionen Fluggästen

„Die kritische Größe zum kostendeckenden Flugbetrieb liegt bei 500.000 bis zwei Millionen Passagieren pro Jahr“, schreibt Eric Heymann in einer Studie der Deutschen Bank zum gleichen Thema. Keiner der 39 deutschen Regionalflughäfen erreiche die 2 Millionen-Grenze, nur fünf unter ihnen kämen auf 500.000 Passagiere. Der Ausbau der Regionalflughäfen verschlinge Subventionen aus öffentlichen Kassen und sei aus verkehrspolitischer Sicht nicht erforderlich, da in Deutschland genügend Flughäfen existierten, kritisiert Heymann. Er fordert deshalb eine Flughafenpolitik aus einem Guss sowie die private Finanzierung der Neu- und Ausbauprojekte.







Die Regionalflughäfen sind oft abhängig von einer einzigen Fluggesellschaft„Das Hauptproblem ist tatsächlich, dass es keine einheitliche Flughafenplanung von Seiten des Bundes gibt“, sagt Ulrich Kohnen, Luftverkehrsexperte vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Der Bau von Flughäfen liege allein in der Hand der Länder. Anders als beim Straßenbau, den auch die Länder verantworteten, gebe es allerdings keine gemeinsame Planung wie etwa den Bundesverkehrswegeplan. „Es bestehen keine Kooperationen, keine Absprachen, stattdessen greifen sich die Flugplätze gegenseitig die Passagiere ab“, sagt Kohnen.



Das führt dazu, dass die Distanz von einem Flughafen zum nächsten oft weniger als 100 Kilometer beträgt. Vom Flughafen Niederrhein sind es 81 Kilometer bis zum Flughafen Düsseldorf, 63 Kilometer bis Mönchengladbach und 115 Kilometer bis zum Flughafen Köln/Bonn. Der Grund für solch absurde Bauprojekte ist der Größenwahn und die Eitelkeit von Bürgermeistern, Landräten und Landtagsabgeordneten. „Das ist totales Kirchturmdenken, da wollen einige Bürgermeister abheben“, sagt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen.



Hoffnung auf Arbeitsplätze

Gleichzeitig erhoffen sich die Lokalpolitiker jeden Standortes wirtschaftliche Vorteile, das Anlocken von Investoren und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. "Welcher Politiker kann sich heute schon dem Argument des wirtschaftlichen Aufschwungs verschließen", fragt Kohnen vom VCD. "Was wir als Subventionen bezeichnen, ist für die vor Ort Wirtschaftsförderung." Eberhard Kanski spricht sogar von den "subventionierten Arbeitsplätzen des 21. Jahrhunderts." Deshalb unterstützen Städte, Gemeinden, Kreistage und Landesregierungen die Flughäfen mit günstigen Krediten, treten selbst als Betreibergemeinschaften auf und zahlen selbst den Fluglinien Zuschüsse für Werbungskosten oder verringern die Landegebühren.



Denn das Wohl und Wehe der regionalen Kleinstflughäfen hängt nicht selten davon ab, ob sie von einem der so genannten Low-Cost-Carrier wie Ryanaier, Easyjet oder Air Berlin angeflogen werden. Nur dann entsteht die Infrastruktur rund um den Flughafen mit Restaurants, Geschäften und Transport. Bekanntestes Beispiel ist der Flughafen Hahn, durch den im strukturschwachen Hunsrück rund 2000 Arbeitsplätze entstanden sein sollen.







Einzelne Arbeitsplätze bringen die regionalen Flughäfen - mehr aber nichtAllerdings ist Hahn ein Einzelfall, wie Heymann von der Deutschen Bank schreibt. Das Konzept lasse sich nicht beliebig oft nachahmen. "Viele Billigfluggesellschaften haben seit ihrer Gründung noch keine Gewinne erzielt. Insofern ist die Hoffnung vieler Regionalflughäfen, Stützpunkt eines Low-Cost-Carriers zu werden, als unrealistisch einzuschätzen." Außerdem tendierten außer Ryanair die meisten Billigfluglinien inzwischen dazu, sich an mittlere und größere Flughäfen wie Hamburg, Leipzig oder Berlin anzubinden.



Deshalb seien, so die Kritik von Heymann, die öffentlichen Zuschüsse für diese Flughafenkategorie im Vergleich zu anderen Infrastrukturinvestitionen unverhältnismäßig hoch. Je kleiner der Flughafen, desto höher sei die öffentliche Förderung pro Fluggast. "Bei Großflughäfen beschränken sich diese auf Investitionszulagen und liegen bei ca. 50 Cent pro Fluggast. Dagegen erhalten kleine Flughäfen durchschnittlich 3,30 Euro Betriebskostenzuschüsse und zudem 5,90 Euro Investitionszulagen", so Heymann. Das zeige, dass diese Flughäfen teilweise noch nicht einmal ihre laufenden Betriebskosten erwirtschafteten.





Einheitliche Flughafenplanung gefordert



Experten wie Heymann fordern deshalb schon lange eine einheitliche Flughafenplanung und vor allem eine private Finanzierung von Flughäfen. Denn dann stünden die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten der jeweiligen Investition stärker im Vordergrund. "Ich hoffe, dass den öffentlichen Haushalten irgendwann das Geld ausgehen wird. Denn an vielen Standorten wird das wirtschaftliche Aus der Flughäfen mit diesen Geldern einfach nur herausgezögert", sagt Kohnen vom VCD. Er habe außerdem die Hoffnung gehabt, dass sich mit der Föderalismusreform auch die Planungskompetenz verändere und der Bund mehr Kompetenzen bekomme. Das sei aber leider nicht eingetreten.



Beim zuständigen Verkehrsministerium sieht man keine Notwendigkeit, das zu ändern. Auf Anfrage sagte eine Sprecherin nur: "Das liegt nicht in unserer Zuständigkeit, deshalb machen wir uns darüber keine Gedanken."



http://www.ftd.de/unternehmen/handel_di ... 86617.html


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