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BeitragVerfasst: Donnerstag 14. September 2006, 11:09 
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Wohnort: Leipzig-Südvorstadt
Nachdem hier immer wieder sehr interessante Tripreporte veröffentlicht werden, habe ich mich entschlossen, auch etwas beizutragen. Da meine Reise inzwischen schon über 3 1/2 Jahre zurückliegt, kann ich mit manchen Details insbesondere aviatischer Art nicht mehr dienen. Aber ich hoffe, daß das der Lektüre keinen Abbruch tut.



Die Reise beginnt am 25.01.2003 vormittags auf dem Hauptbahnhof in Leipzig. Mangels direkter Verbindung nach Paris müssen wir zunächst per ICE nach Berlin-Zoologischer Garten fahren, dann mit dem Taxi zum Flughafen Tegel. Unser AF-Flug nach Paris geht erst am Nachmittag, also ist ausreichend Zeit zum Umsehen. Der Eindruck: 70er-Jahre-mäßig, teils sehr eng. Aber wir essen recht gut zu Mittag, gehen anschließend noch auf die riesige Besucherterasse und checken dann ein. Der Flug geht pünktlich, weiß aber nicht mehr, ob 737 oder 320. Alles in allem unspektakulär, Getränke und Kekse wurden gereicht. Beim Anflug auf CDG wird es bereits dunkel, unangenehmes Wetter. Wir rollen nach der Landung nach meinem Eindruck noch ewig über die Bahnen, mindestens zwanzig Minuten, bis wir unsere Abstellposition erreichen, wo uns Busse abholen.

Die Flüge in die französischen Überseedepartements und -territorien gelten als Inlandsflüge und werden komplett ab ORY abgewickelt. Zusätzlich starten die Maschinen bereits am Vormittag, so daß man gezwungen ist, eine Nacht in Paris zu verbringen, denn die Flugzeuge aus Deutschland landen damals alle in CDG und der Transfer nach ORY dauert einfach zu lange. Nicht zu schaffen. Wir haben aber insofern Glück, daß uns ein Cousin, der in Paris wohnt, abholt, wir ein paar nette Stunden bei ihm zu Hause verbringen und dann nach ORY ins Flughafenhotel chauffiert werden. Zimmer ist eng, aber für eine Nacht völlig okay.

Am nächsten Morgen gutes Frühstück und ab geht's mit dem Buszubringer nach Orly-Ouest. Obwohl wir ziemlich zeitig da sind, bekommen wir beim Check-in nur noch die drei Plätze in der allerletzten Reihe in der Mitte. Ist letztlich aber gar nicht so ungünstig, auch wenn wegen der hinteren Toilette einiges Kommen und Gehen herrschen wird. Bereits im Wartebereich erkennt man deutlich, daß wir in ein recht exotisches Land reisen. Viele farbige Reisende in allen Schattierungen, die Frauen in teils sehr farbenfrohen Kleider, viele Kinder. Der Flug wird mit A343 durchgeführt (heute auch wieder mit B747-Combi und B744). Start ist 10:45 Uhr, Flugzeit fast genau 8 Stunden. Inklusive Zeitverschiebung von vier Stunden kommen wir 14:45 Uhr Ortszeit an. Für die Flüge haben wir damals etwa 650 Euro p.P. bezahlt, allerdings etwa neun Monate vor dem Termin gebucht. Man kann zu bestimmten, besonders stark nachgefragten Zeiten, wie zum Beispiel Dezember vor Weihnachten und Neujahr, auch locker das doppelte löhnen.

Bis zum Boarding dauert es noch ein Weilchen. Gelegenheit, sich in ORY umzusehen. Besonders aufregend ist es nicht, ziemlich unpersönlich, aber viel Platz.

Boarding beginnt schließlich eine halbe Stunde vor Abflug und läuft völlig reibungslos ab. Mit 15 Minuten Verspätung dann der Pushback und umgehender Start. Den Flug habe ich als sehr angenehm in Erinnerung. Die vielen Kinder, mindestens eine Schulklasse dabei, machten zwar ganz schön Radau. Aber da wir ohnehin kaum Schlafbedürfnis verspürten, war das kein Problem. Der Service war freundlich und professionell; auf Wunsch wurde sofort englisch gesprochen, wenn auch mit sehr starkem Akzent. An das Essen auf dem Hinflug kann ich mich leider bis auf die kleine Flasche mit ganz passablem Rotwein nicht mehr erinnern. Es war jedenfalls reichhaltig und europäisch. An jedem Platz gab's IFE mit Filmen, Radio und kleinen Computerspielchen. Es lief, glaube ich, "Triple XXX" mit Vin Diesel und "Goldständer".

Langweilig waren die acht Stunden jedenfalls nicht. Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich die Vorstellung, daß sich unter uns lediglich Wasser befand; so geht es wahrscheinlich jedem, der seinen ersten transozeanischen Flug erlebt.

Der Flughafen von Cayenne, Rochambeau (CAY), befindet sich etwas außerhalb der Stadt und etwas weiter im Landesinneren. Angelegt wurde er von den Amerikanern während des zweiten Weltkriegs, die von hier aus ihre Konvois in der Karibik überwachten und auf deutsche U-Boote Jagd machten. Alles in allem ist es auch heute noch eine sehr verschlafene Piste, zwar lang und inzwischen aus Beton und mit modernen Gebäuden, aber es ist halt wenig los. Täglich vielleicht ein halbes dutzend Flüge, davon ein Mal nach Paris, drei oder vier Mal mit Air Caraibes und Air France nach Fort de France auf Martinique und Pointe a Pitre auf Guadeloupe und ein Mal nach Belem in Brasilien.

Bei Überflug der Küstenlinie sind wir schon ziemlich niedrig. Es geht noch ein paar Kilometer landeinwärts, dann eine sehr scharfe 180°-Kehre und wir sind im Landeanflug. Gerollt wird auf so einem kleinen Flughafen wenig. Wir stehen sofort am (einzigen) Gate und steigen aus. Erster Schock: die Luftfeuchtigkeit. Irgendwo zwischen 90% und 100%. Dann die Temperatur: mehr als 30 Grad Celsius wärmer als in Europa (es ist ja Mitte Januar). Erster Gedanke also: das kann ja heiter werden. Also schnellstens ins Terminalgebäude und zum Gepäckband, wo die Luft zumindest etwas klimatisiert wird. Es dauert seine Zeit, bis wir unsere gesamten Koffer haben, aber sonst läuft alles wie auf einem europäischen Flughafen ab (technisch gesehen befinden wir uns ja auch noch in Europa). An der Kontrolle unsere deutschen Pässe hochhalten reicht aus. Wir sind angekommen.



Was gibt es nun zu Cayenne oder, im erweiteren Rahmen, zu Französisch-Guayana zu sagen? Jeder denkt wahrscheinlich erst einmal an den berühmten Cayenne-Pfeffer, der tatsächlich von hier kommt. Nebenbei gesagt, ist das gar kein Pfeffer, sondern eher eine scharfe Gewürzmischung, deren Hauptbestandteil ein Pulver aus der Piment-Schote ist, ähnlich der Chilischote. Als nächstes erinnern sich wohl die meisten an Kourou, das nur etwa 60 km von Cayenne entfernt liegt und von wo die ESA die Raketen ihres Ariane-Programms in die Umlaufbahn schießt. Und schließlich gibt es noch die Guayana vorgelagerten recht bekannten Teufelsinseln (Îles du diable), lange Zeit Gefängnis ohne Wiederkehr und ein wichtiger Handlungsort der Affäre Dreyfus sowie einiger berühmter Filme (z.B. Papillon mit Dustin Hofmann). Aber das wars dann wahrscheinlich schon.

Tatsächlich ist Französisch-Guayana touristisch praktisch nicht erschlossen, weshalb man dort auch nur wenige Reisende trifft. Die meisten sind Franzosen aus dem Mutterland, die sich mal die Territorien begucken wollen oder die hier Verwandtschaft haben oder es sind Guyanesen, die inzwischen in Frankreich leben und ihre Heimat besuchen. Dann gibt es noch die unvermeidlichen Globetrotter, aber die kann man an den Händen abzählen. Touristen wie wir, also aus Deutschland, sind noch viel seltener. Ein Mal haben wir Holländer getroffen, aber das ist angesichts der Nähe Surinams als ehemaliger holländischer Kolonie gar nicht so verwunderlich. Es wäre allerdings auch gar nicht einfach, hier eine angemessene Unterkunft zu finden. Das beste Hotel am Platze Cayenne ist ein Drei-Sterne IBIS und soll einen etwas rustikalen Charme haben. Einige andere Hotelprojekte aus den sechzigern und siebzigern haben die Hoffnungen nicht erfüllen können und verfallen oder wurden umgenutzt. Wir hatten es da besser: wir wohnten bei Verwandten.

Das Ganze hat natürlich einen riesigen Vorteil. Der Charme des Landes ist außerordentlich ursprünglich, da praktisch jede Fixierung auf den Tourismus fehlt. Der Nachteil ist, daß es an touristischen Zielen mangelt. Neben Cayenne, dem schon genannten Kourou und den Teufelsinseln gibt es an sich nicht sehr viel, was sich aus touristischer Sichtweise zu besuchen lohnen würde. Hat man jedoch wie wir Verwandtschaft vor Ort, öffnet sich eine ganz andere Welt. Dann lohnen sich dank ortskundiger Führung auch Touren zu kleineren Orten und Dörfern, besonders wenn dort gerade Markttag ist und Fahrten mit dem Boot auf den zahlreichen Flüssen ins Landesinnere (wegen der Malariagefahr aber nicht zu weit) auf eines der landestypischen Carbet's. Das sind mitten um Urwald meist an einem Fluß gelegene überdachte Holzplattformen, auf denen man seine Hängematte aufspannen kann, um dort einige Tage und Nächte in weitgehender Abgeschiedenheit (Wasser und Nahrungsmittel müssen komplett mitgebracht werden) mit Faulenzen, Angeln, Boot fahren und Schwimmen (Piranhas sind kein Problem) zuzubringen.

Schlußendlich nicht zu vergessen ist der guyanesische Karneval, dessen Treiben sich im Wesentlichen auf Kourou und Cayenne konzentriert. Wer hier allerdings ein ähnlich buntes und glitzerndes Ereignis erwartet, wie aus Brasilien bekannt, wird überrascht. Auch der Karneval wird auf deutlich ursprünglichere Weise gefeiert, als anderswo in Südamerika. Er ist eher von seinem karibischen Pendant beeinflusst, mit afrikanischen Wurzeln und der entsprechenden Symbolik.

Die Bevölkerung Französisch-Guayanas beträgt gut 200.000 Einwohner und konzentriert sich zum einen in der Hauptstadt (oder "Chef-lieu", wie die Franzosen sagen) Cayenne und zum anderen auf einen fünfzig bis sechzig Kilometer breiten Küstenstreifen. Das Landesinnere ist bis auf vereinzelte Indiodörfer, Goldgräber- und Bergbaucamps sowie Stützpunkte der französischen Armee praktisch unbesiedelt. Die Guyanesen sind überhaupt eine interessante Melange aus etwa zwei Dutzend verschiedenen Völkerschaften. Darunter natürlich die indianischen Ureinwohner, weiße Franzosen und die Nachkommen afrikanischer Negersklaven, aber auch Leute von den karibischen Inseln, besonders Martinique, Guadeloupe und Haiti, aus den Nachbarstaaten Brasilien und Surinam, Chinesen, Vietnamesen, Libanesen, Inder sowie Buschneger (ebenfalls Nachkommen afrikanischer Negersklaven, die sich aber nicht vermischt haben und unter sich leben) und die vielfältigen Mischungen, hier vor allem die Kreolen. Speziell die Brasilianer sind ein großes Problem, da sie ohne ausreichende Kontrolle in großen Mengen über die grüne Grenze einwandern (der benachbarte brasilianische Bundesstaat ist einer der ärmsten). Das führt dazu, daß es in Cayenne inzwischen ein Kriminalitätsproblem gibt und ein zwar kleines, gerade einmal ein Hektar großes, jedoch sehr ausgeprägtes Rotlichtviertel. Paris hatte auf diese Probleme bei unserem Besuch gerade mit einem nagelneuen Gefängnis reagiert. Grundsätzlich kann man den Brasilianern ihre Migration kaum übel nehmen. Schließlich gibt es hier Schulen für alle Kinder, medizinische Betreuung auf europäischem Niveau und wesentlich mehr Arbeit als im Heimatland.

Wir haben uns jedenfalls fast alles angesehen, was von Interesse war. Lediglich eine Besichtigung des Raketenstartplatzes Kourou fiel, obwohl schon gebucht, letztlich ins Wasser, da eine schon auf der Rampe stehende Ariane 4 (die letzte des Programms) mehrfach nicht starten konnte, dann aber auch keine Führungen möglich sind. Alles in allem waren die drei Wochen doch sehr schnell herum und es hieß: Rückreise.



Diese war am 15.02.2003. Der Flug zurück nach Paris-Orly startet in Cayenne abends 17:55 Uhr Ortszeit und kommt planmäßig 07:25 Uhr an, dauert also auch unter Beachtung der Zeitverschiebung eine ganze Ecke länger als der Hinflug. Es sollte, bis ich endlich wieder in meiner Wohnung in Leipzig ankam, sehr anstrengend werden.

Die Maschine war wieder ein A343 und wieder nahezu voll. Da wir ziemlich spät am Check-in waren, konnten wir nicht zusammensitzen und mußten noch dazu mit den mittleren Plätzen vorliebnehmen. Der Start war pünktlich. Es gab schon nach kurzer Zeit Abendessen, bestehend aus einem kreolischen Gericht (zum Glück ohne die kreolische Schärfe). Wenn ich mich recht erinnere Geflügel mit dem für Guayana typischen Maniok; sehr lecker. Da es ein Nachtflug war, hätte man jetzt eigentlich schlafen sollen. Mir jedoch war das nicht möglich. Ich bin allenfalls für Minuten eingenickt, nur um schnell wieder von den sehr lauten Kabinengeräuschen geweckt zu werden. Entsprechend geschafft war ich nach der Landung. In Orly müssen wir durch eine Ausweiskontrolle. Da gleichzeitig die Passagiere eines zweiten angekommenen Fluges mit anstehen, dauert es seine Zeit. Erstaunlicherweise haben die kontrollierenden Beamten Schwierigkeiten mit meinem grünen vorläufigen Reisepass. Ein Vorgesetzter wird dazugeholt, der mich sofort durchwinkt.

Nächste Etappe ist der Transfer nach CDG mit dem Shuttlebus. Wir haben einige Mühe, die Abfahrtsstelle zu finden. Darüberhinaus kommt der nächste planmäßige Bus erst in einer Stunde, also wieder mal warten. Die Fahrt dauert schließlich etwas mehr als eine Stunde. Unsere Hoffnung, währenddessen ein paar Blicke auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt Paris zu werfen, erfüllt sich leider nicht. Lediglich der markante Eiffelturm ist ab und zu zu erkennen. Sonst versperren die Wälle an der Stadtautobahn, häufig noch mit oben aufgesetzten Lärmschutzmauern, die Sicht. Schade.

Unser Flug ab CDG nach TXL geht am Terminal 2F ab. Wir haben zeitlich sehr großzügig geplant, hätten problemlos noch einen Flug eher nehmen können. Eine Umbuchung wäre mit unserem Ticket aber nur gegen sehr hohe Gebühren möglich gewesen, wenn ich die Dame von AF richtig verstanden habe, so daß wir davon Abstand nehmen. Wir haben also wieder eine sehr lange Warteperiode zu überbrücken. Für mich kein Problem, da ich zum ersten Mal auf so einem Monsterflughafen bin. Meine Müdigkeit vergeht bei den Streifzügen durch die endlosen Abfertigungshallen.

Unser Flug geht schließlich um die Mittagszeit, was den unerwarteten Vorteil eines vollwertigen Mittagessens an Bord mit sich bringt. Nach der Landung in Tegel müssen wir sehr lange auf unsere Koffer warten; wir sind schließlich fast unter den letzten, die das Gepäck erhalten. Die erneute Wartezeit erfüllte uns mit einiger Sorge, denn wir sahen, daß die Zöllner manche Reisende sehr streng kontrollierten und wir hatten mindestens zehn Liter des sehr leckeren, aromatischen Rums aus Guayana bei uns. Uns war nicht klar, ob es gestattet ist, diesen in solchen Mengen mit uns zu führen. Wir haben dann einen Moment abgepasst, zu dem die Zöllner mitten im Filzen eines mit umfangreichen Gepäck reisenden Mannes waren. Dann mit dem Taxi zum Bahnhof Zoo und schließlich mit dem IC nach Leipzig. Der Temperaturunterschied zu Cayenne beträgt etwa 40° Celsius und schafft uns zusätzlich. Als ich die Tür zu meiner Wohnung aufschliesse, bin ich fast genau 24 Stunden ohne Schlaf unterwegs. Die Reise ist endgültig beendet.



Fazit für mich: ich würde es sofort wieder machen. Und ich kann nur jedem raten, die Chance, eine andere Kultur kennenzulernen, wahrzunehmen.



strulem


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