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 Betreff des Beitrags: Indien heizt Luftfahrt-Boom an
BeitragVerfasst: Sonntag 26. Juni 2005, 12:01 
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Registriert: Sonntag 1. Mai 2005, 21:57
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Airbus und Boeing profitieren von der Deregulierung des Landes. Nie zuvor wurden so viele Flugzeuge bestellt



von Jens Flottau



Es ist so ein Moment, der Stoff für Alpträume liefert. Mauricio Botelho, Chef des Flugzeugherstellers Embraer, sitzt auf dem Podium vor Dutzenden von Journalisten und will sich bei einem neuen Kunden für einen großen Auftrag bedanken. Nur wie heißt der? Thiagarajan. Und wie spricht man das aus? "Thiara ..., sorry." Glücklicherweise muß da sogar der Kunde lächeln und rettet seinen Gastgeber aus der Patsche: "Sie können mich Raj nennen."



Es wäre ja auch ein bißchen viel verlangt, wenn man ernsthaft verlangen würde, in diesen Tagen Schritt zu halten mit der Luftfahrt in Indien. Herr Thiagarajan, dessen Fluggesellschaft übrigens Paramount Airways heißen wird und der bei Embraer fünf Flugzeuge gekauft hat, ist nur einer von vielen, die vom nächsten Boom im Luftverkehr profitieren wollen.



Bei der Messe von Le Bourget stahlen die indischen Airlines allen anderen die Show mit erstaunlichen Aufträgen von Unternehmen, die bisher selbst Experten verborgen geblieben waren.



Dabei sind mit Reisen in dieses Land eher andere Assoziationen verbunden. Der baufällige Flughafen Bombays, das Gepäckband, bei dem sich in der Kurve die Koffer zu einem hohen Berg türmen, das Inlandsterminal, das aussieht wie ein Bretterverschlag, die alten Maschinen des Staatscarriers Indian Airlines, der dichte Smog über Delhi, der die Fluglotsen regelmäßig überfordert und stundenlange Verspätungen verursacht.



Und jetzt das: In einer Woche kauften die indischen Gesellschaften 213 Flugzeuge, zwei Drittel einer Airbus-Jahresproduktion. Verursacht wurde der unglaubliche Boom durch eine erstaunliche Kehrtwende der indischen Luftverkehrspolitik. Bis ins letzte Detail war der Sektor noch vor wenigen Jahren hochreguliert. So durfte die erfolgreiche private Jet Airways trotz intensivem Lobbying und großer Nachfrage lange Zeit nicht mehr als 25 Boeing 737 betreiben, internationale Flüge waren der dahinsiechenden Air India vorbehalten. Verkehrsrechte nach Indien zu bekommen war für ausländische Airlines oft ein langjähriger Alptraum.



Doch auf einmal darf Jet Airways Langstrecken fliegen, Kingfisher eine riesige Inlands-Airline aufbauen, und auch bei der Lufthansa wundert man sich über ungeahnte Möglichkeiten. Jüngst einigten sich die Bundesrepublik und Indien darauf, die Zahl der wöchentlichen Flüge zwischen den beiden Ländern mehr als zu verdreifachen. "Damit ist das Wachstum für die nächsten Jahre sichergestellt", schwärmt ein Lufthansa-Manager.



Auch Großbritannien und die USA konnten sich mit den Indern jüngst auf neue Luftverkehrsabkommen einigen, die einer völligen Marktfreigabe deutlich näher kommen. Mit BMI British Midland, British Airways und Virgin Atlantic fliegen jetzt schon drei britische Fluglinien nach Indien, und nach Air India darf nun auch Jet Airways London bedienen.



"Alle reden über China, aber die größte Wachstumsgeschichte, die wir sehen, ist Indien", sagt Airbus-Verkaufschef John Leahy. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Inlandspassagiere um 25 Prozent gestiegen, und nach Prognosen der Unternehmensberatung Center for Asia Pacific Aviation wird der Markt in den nächsten fünf Jahren um jeweils 30 Prozent wachsen.



Dabei befindet sich die Marktentwicklung erst im Frühstadium. Die für 2010 prognostizierte Zahl von 50 Millionen Passagieren entspricht ungefähr dem Verkehrsaufkommen von Frankfurt.



Alle indischen Fluglinien zusammen betreiben derzeit knapp 200 Jets - in den USA sind mehr als 6000 registriert. Doch es gibt mittlerweile auch warnende Stimmen. "Wir haben immer gesagt, daß Indien ein schlafender Tiger ist. Aber er ist zu schnell aufgewacht", glaubt Boeings Indien-Chef Dinesh Keskar. Noch nicht gewachsen sei die Bodeninfrastruktur - Flughäfen und Flugsicherung - dem Ansturm immer neuer Flugzeuge, das Land brauche mehr Zeit.



In den vergangenen fünf Jahren haben sich durch die neuen Konkurrenten die Flugpreise auf den Inlandsstrecken halbiert, Flugreisen werden immer breiteren Schichten und nicht mehr nur der Oberklasse möglich. Derzeit konkurrieren in Indien zehn Fluggesellschaften miteinander, weitere sechs wie Indi-Go oder Paramount planen, innerhalb des nächsten Jahres den Flugbetrieb aufzunehmen.



Finanzkräftige Familiendynastien stecken zumeist hinter den Unternehmen. Jet Airways gehört dem Selfmade-Milliardär Naresh Goyal, Kingfisher dem gleichnamigen Brauereikonzern, Paramount ist Ableger des größten Textilkonzerns des Landes, dem Touristik- und Technologiekonzern Interglobe Enterprises gehört Indigo



Der neueste Neuankömmling ist Go Airlines, denn auch Indiens größter Schokoladenplätzchenhersteller sucht nach Wegen, sein Geld gewinnbringend einzusetzen. Die Familie Wadia, die hinter dem Neustart steckt, verhandelt nach eigenen Angaben derzeit mit Boeing und Airbus über einen Auftrag für fünfzig 737 oder A320, die vor allem auf Inlandsstrecken eingesetzt werden sollen. Die Flugzeuge sollen allesamt in den Jahren 2007 und 2008 ausgeliefert werden.



Zumindest an Glamour unerreicht ist Vijay Mallya, Erbe des Brauereiimperiums United Breweries und Gründer Kingfishers, benannt nach dem in Indien besonders populären Lagerbier. Mallya ist Dollar-Milliardär, nennt die Yacht "Kalizma" sein eigen, mit der einst Richard Burton und Liz Taylor über die Meere schipperten. Um das Bild abzurunden, ist er auch noch Chef der linken Janata-Partei, das Forum für seine politischen Ambitionen. Bei Kingfisher Air setzt Mallya voll auf Airbus, privat bevorzugt Mallya eine alte Boeing 727. Als er neulich mit seinem Oldtimer einen Ausflug nach Südafrika machte, sorgte er in der lokalen und der indischen Presse für Aufruhr, weil er auf einer Jagd einen besonders geschützten Löwen abgeschossen haben soll.



Doch es ist nicht nur die industrielle Elite des Landes, auf die sich die Flugzeughersteller derzeit mit Vorliebe stürzen. Auch in der militärischen Luftfahrt spielt Indien mittlerweile als Kunde eine wichtige Rolle. Das Land will 126 Kampfjets für die Luftwaffe kaufen. Boeing und Lockheed Martin machen sich mit der F-18 respektive der F-16 Hoffnungen darauf, den Milliardendeal einzusacken. Der Auftrag könnte schon Anfang kommenden Jahres vergeben werden. Die Verkäufer von Boeing und Lockheed sollten jedenfalls schon einmal Namen üben. Bei den Militärs könnten sie auf weniger Nachsicht treffen als Mauricio Botelho bei Herrn Thiagarajan.



Quelle: http://www.wams.de


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